Japanische Gärten sagen viel aus über japanische Philosophie, Geschichte und Lebensformen. Sie finden sich bei Tempeln, Schlössern oder anderen historischen Sehenswürdigkeiten oder öffentlichen Einrichtungen wie Stadtparks oder privaten Gärten.

Um 1600 mit dem Aufstieg lokaler fürstlicher Herren (Daimyo) entwickelte sich ein neuer Typ des Landschaftsgartens, der Wandelgarten. Er enthält immer Landschaften und Gewässer, ist aber räumlich getrennt von der Residenz. Häufig verwandte Komponenten sind Teiche mit Inseln, Brücken, Anhöhen, gesetzte Steine und Plattenwege, Teehäuser und Pavillons.

Im Jahr 2015 fuhren meine Frau und ich das erste Mal nach Japan. Unser Ziel war im Wesentlichen der Pilgerweg der 88 Tempel auf der Insel Shikoku. Da wir diese Reise in Japan zunächst mit dem Zug vornehmen wollten, planten wir, nach der Flugankunft in Osaka den Startpunkt in der Stadt Okayama vorzunehmen. Die uns damals verfügbaren Reiseführer verwiesen bei Okayama auf einen interessanten Park, den Korakuen. Ohne spezielle Absicht dachten wir also, diese Sehenswürdigkeit einfach so „mitzunehmen“. Als wir dann aber dort waren, am zweiten Morgen unseres Aufenthaltes in Japan, machte der Rundgang durch diesen Garten mit uns etwas ganz Besonderes. Er zog uns vollständig in seinen Bann, faszinierte uns von seiner Neuartigkeit. Der Korakuen war der erste tiefe Eindruck von der ganz besonderen japanischen Gestaltungsfähigkeit und seiner tiefen ruhestiftenden Wirkung auf unser Gemüt. Dieses Erlebnis wiederholte sich dann in zahlreichen, auch kleineren Gärten und Tempelanlagen, die wir daraufhin besuchen konnten und geradezu suchten.

In der folgenden Betrachtung möchte ich drei Gärten herausgreifen, die meine Frau und ich 2015 und 2016 besuchen konnten.

1. Korakuen in Okayama

2. Ritsurin-Park in Takamatsu, Shikoku

3. Garten der Kaiserlichen Villa Katsura

Allgemein wichtig ist,

  1. Der japanische Garten wird nicht dem Haus untergeordnet; die Zimmer öffnen sich gegen den Garten, scheinen mit diesem zu verwachsen.
  2. Der Garten ist nicht einfach getreues Abbild der Natur, wie der englische Garten. Im japanischen Garten wird die Landschaft idealisiert und mit künstlerischem Empfinden veredelt. Vieles steht nur symbolisch für die Natur.
  3. Die japanischen Gärten zeigen als religiös-philosophisches Merkmal den Einfluss von Buddhismus, v.a. des Zen-Buddhismus und der Teezeremonie. Der Garten soll ein Ort der Ruhe und der Besinnung sein.

Bepflanzung

Diese ist im Gegensatz zu den bunten europäischen Gärten im japanischen Garten monochrom.

Blumen und blütentragende Bäume fehlen fast ganz. Es herrscht die grüne Farbe vor. Der japanische Garten kannte in frühen Zeiten auch blütentragende Ziersträucher und Kirsch- und Pflaumenbäume. Die im Mittelalter aus Südchina aufkommende Zen-Sekte und die Tuschemalerei beeinflusste die Gartengestaltung. Blumen und blütentragende Bäume und Sträucher galten als Ausdruck des Leichtsinns und wurden aus dem Garten verbannt. An ihre Stelle traten immergrüne Bäume als Symbol der Ewigkeit. In die gleiche Richtung wirkte die Teezeremonie;  wesentlich war, dass der Garten im Betrachter das Gefühl von Reinheit und Ruhe erwecken sollte.

Wasser

Auffallendes Element ist das Wasser. Wasser verleiht der Seele des Menschen Stille und Ruhe.

Japan ist ein Inselreich. Darin gründet sich seine Identität. So können Wasserläufe, Wasserfälle, Flusslandschaft, Hügel, Brücken usw. in die Gartengestaltung aufgenommen werden; alle Gestaltungselemente im verkleinerten Maßstab. Dazu kommt die Beschränkung der Ausdrucksmittel: das Haus liegt versteckt hinter Bäumen, bei den Steinen bleibt nur ein Teil der tief in die Erde versenkten Steine sichtbar, Steinlaternen werden teilweise durch Blätter verdeckt. Hochgeschwungene Brücken erlauben eine gute Aus- und Übersicht über den Garten (Beispiel: Die „Mondsichelbrücke“ im Ritsurin-Garten, Takamatsu).

Teehaus

An Stellen im Garten oder Park mit einem schönen Ausblick, sei es am Wasser oder auf einer Anhöhe, werden gern Teehäuser oder Gartenlauben errichtet. Nachdem sich die Teezeremonie im 16. Jahrhundert durchgesetzt hat, begann man den Teeraum nicht nur als besonderen Raum im Haus, sondern als selbständige Hütte im Garten anzulegen. Besonders großartige Beispiele sind  das Teehaus Shokin-tei und weitere Teehäuser im Garten der Kaiserlichen Katsura-Villa oder der Teepavillon am See im Ritsurin-Garten, Takamatsu. Die Ausstattung ist schlicht und soll eine geistige Schönheit ausdrücken.

 

Zur Betrachtung

(28 Minuten)

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Weiterführende Hinweise

1. Korakuen in Okoyama

 

Der Korakuen in Okayama ist einer der drei berühmten Gärten Japans. Er verfügt über eine Fläche von 133 000 m2 und gehört zu den größten japanischen Landschaftsparks. Er bildet eine Insel im Fluss Asahi. Die Anlage wurde um 1700 als Sitz einer Adelsfamilie erstellt und verwendet die ganze Vielfalt der Gestaltungselemente japanischer Gartenkunst. Den Mittelpunkt bildet ein großer Teich mit einem Durchmesser von etwa 100 m, der über ein Kanalsystem vom Fluss gespeist wird und über einige Wasserfälle verfügt. Im Gegensatz zum Ritsurin Park auf Shikoku ist er weitflächig und hell. Der Fernblick auf die bewaldeten Bergketten wird einbezogen. Dagegen werden die Uferpartien des Inselparks durch Waldstücke und einen künstlichen Hügelring verdeckt. Um den künstlichen See mit drei Inseln, Pavillon und Brücke liegen größere Rasenflächen mit einem Wegenetz. Einen Parkraum für sich bildet der Lotusteich in der Nähe der Wohnanlage Enyo-tei. Der intensive Lotusbewuchs des Teiches klingt an einen buddhistischen Paradiesgarten an. Bemerkenswert ist die gestalterische Einfügung von Nutzgartenteilen (zB. Reisanbau). Eine weitere gestalterische Besonderheit ist der Teepavillon, den ein Wasserlauf in Längsrichtung durchfließt.

2. Ritsurin-Park in Takamatsu, Shikoku

Wie der Korakuen in Okayama ist der Ritsurin ein Fürsten-Garten und ein gutes Beispiel für einen weitläufigen Wandelgarten, der Hügel im Hintergrund als „geborgte Landschaft“ (Shakkei) einbezieht. Auch der Ritsurin gehört zu den drei größten japanischen Landschaftsgärten. Er wurde Mitte des 17. Jahrhunderts angelegt und gehörte zu einer fürstlichen Residenz. Er liegt an einer Bergkette und bildet ein 780 000 m2 großes, von einem Wassergraben eingefasstes Rechteck, in dem eine großartige Teichlandschaft geschaffen wurde. Zwei Gestaltungselemente treten besonders hervor: die Kiefernbäume und die teichartigen Wasserflächen. Die großen und kleinen Wasserflächen sind alle miteinander verbunden und bieten die Möglichkeit zu einer Bootsfahrt. Durch den dichten Kiefernbestand und die Wasserläufe entstehen viele kleine Parkräume, die über ein Wegenetz erschlossen werden. Durch die unregelmäßige Vielgestaltigkeit dieser einzelnen Räume wird eine Unübersichtlichkeit erzeugt, die den Park unendlich groß erscheinen lässt. Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus der stark gewölbten chinesischen Holzbrücke und dem schlichten Teehaus am Ufer, das früher der Teezeremonie und Mondbetrachtung diente.

3. Garten der Kaiserlichen Katsura-Villa

Der Garten Katsura ist ein Beispiel für einen kaiserlichen Wandelgarten. Er erstreckt sich am Westufer des gleichnamigen Flusses über eine Fläche von 66 000 m2 und ist von üppigem Grün umgeben. Für den Besuch dieses Gartens ist eine Anmeldung beim Kyoto-Büro des Kaiserlichen Hofamtes notwendig. Die Kaiservilla ist ein schlichtes Gebäude. Den Hauptschmuck bildet der Kontrast zwischen dem dunklen Holz der Tragebalken und dem weißen Papier, mit dem die Schiebetüren beklebt sind. Den besonderen Reiz gewinnt der Garten durch das Teehaus Shokin-tei und die verschiedenen Brücken am See, daneben auch durch das schlichte kleinere Teehaus Shoiken und die Orindo-Kapelle.

„Der Katsura-Komplex ist ein ungewöhnliches Meisterwerk. Auf den ersten Blick mag er allzu unauffällig erscheinen, stellt aber das Wesen des japanischen Geschmacks dar: stille Anmut und Würde mit einem leichtem Beigeschmack von Bitterkeit, die die Sinne anregt zum Suchen und Begreifen der Schönheit in allem, was zur Natur und zum menschlichen Leben gehört.“

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Literatur

1. Der japanische Garten - Tetsuro Yoshida

Verlag Ernst Wasmuth Tübingen, 1957

2. Japanische Gartenkunst - Zdenek Hrdlicka und Venceslava Hrdlicka

Dausien-Verlag 1990

3. Konrad Wiese - Gartenkunst und Landschaftsgestaltung in Japan

Verlag Ernst Wasmuth, Tübingen 1982

4. The Art of Japanese Gardens - David and Michiko Young

Tuttle Publishing 2005

Links zu bisherigen Betrachtungen

Zur Ruhe kommen I.

Zur Ruhe kommen II.

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