Imaginationen aus der Poesie.

 

Goldener Herbstwind

Goldener Herbstwind
ist etwas Wunderbares.
Schade,
dass man ihn nie sieht.

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Silvia Ostertag

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Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

 

Herbstgefühl

Wie ferne Tritte hörst du's schallen,
Doch weit umher ist nichts zu sehn,
Als wie die Blätter träumend fallen
Und rauschend mit dem Wind verwehn.

Es dringt hervor wie leise Klagen,
Die immer neuem Schmerz entstehn,
Wie Wehruf aus entschwundnen Tagen,
Wie stetes Kommen und Vergehn.

Du hörst, wie durch der Bäume Gipfel
Die Stunden unaufhaltsam gehn,
Der Nebel regnet in die Wipfel,
Du weinst, und kannst es nicht verstehn.

Martin Greif (1839 - 1911)

 

Herbst

Nun kommen die letzten klaren Tage
Einer müderen Sonne.
Bunttaumelnde Pracht,
Blatt bei Blatt.

So heimisch raschelt
Der Fuß durchs Laub.
O du liebes, weitstilles Farbenlied!
Du zarte, umrissreine Wonne!

Komm!
Ein letztes Sonnenblickchen
Wärmt unser Heim.
Da wollen wir sitzen,
Still im Stillen,
Und in die müden Abendfarben sehn.

Da wollen wir beieinander sitzen
In Herbstmonddämmer hinein
Und leise
Verlorene Worte plaudern.

Johannes Schlaf (1892 - 1941)

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